Eine Hangmure bezeichnet eine Schlammlawine aus Wasser, Erde und Geröll mit einem hohen Wasseranteil. Ausgelöst wird sie durch starke Regenfälle und Schneeschmelzen ausserhalb von Bachbetten.
Oberflächenabfluss entsteht, wenn Regenwasser, Schmelzwasser oder andere Quellen nicht aus-
reichend schnell im Boden versickern können und somit über das offene Gelände abfliessen. Oberflächenabfluss ist für bis zu 50 Prozent der Wasserschäden verantwortlich.
Erdbeben bezeichnen die Erschütterung des Erdkörpers aufgrund der Verschiebung von tektonischen Platten. Die fünf Gefährdungsklassen entsprechen den Erbebenzonen, die in der SIA-Norm 261/2020, «Einwirkungen auf Tragwerke», definiert sind.
Eine Lawine bezeichnet den schnellen Abgang von Schnee einen Hang hinunter. Sie können entweder spontan oder durch äussere Einflüsse wie Menschen, Tiere oder Erdbeben ausgelöst werden.
Ein Murgang ist ein fliessendes Gemisch aus Schlamm, Wasser, Steinen, Geröll und Holz und entsteht oft in bereits vorhandenen Bachbetten. Durch die hohe Dichte und die schnelle Fliessgeschwindigkeit (bis zu 60km/h) haben Murgänge eine grosse Zerstörungskraft.
Hochwasser können durch Starkregen oder Schneeschmelzen ausgelöst werden und zu einer Übertretung von stehenden oder fliessenden Gewässern führen.
Rutschungen sind Materialbewegungen an Hängen. Instabile Hänge können spontan ins Rutschen gelangen oder gleichmässig über einen längeren Zeitraum.
Radon ist ein natürlich im Boden vorkommendes farb- und geruchloses radioaktives Gas. Bei Gebäuden mit undichten Bodenplatten stellt Radon ein gesundheitliches Risiko für die Bewohnerinnen und Bewohner dar. Die Radonbelastung wird anhand der Wahrscheinlichkeit, dass der Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m3) überschritten wird, geschätzt.
Insbesondere Winterstürme verursachen grosse Schäden an Immobilien. Die Intensität von Sturmereignissen wird als Geschwindigkeit der Böenspitzen angegeben. Diese können Geschwindigkeiten von über 200 km/h erreichen.

Naturgefahren und ihr Einfluss auf den Immobilienmarkt

Naturgefahren wie Hochwasser, Erdrutsche, Murgänge und Sturzereignisse können in der Schweiz erhebliche Schäden verursachen – und das Risiko dürfte in Zukunft weiter steigen, denn infolge des Klimawandels nehmen Wetterextreme sowohl an Häufigkeit als auch an Intensität zu.
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Naturgefahren und ihr Einfluss auf den Immobilienmarkt

Naturgefahren und ihr Einfluss auf
den Immobilienmarkt

Naturgefahren haben Auswirkungen auf den Immobilienmarkt: Die hier präsentierten Analysen zeigen, dass Immobilien an gefährdeten Lagen tendenziell tiefere Transaktionspreise erzielen als solche in sicheren Gebieten. Dennoch wird auch in risikobehafteten Regionen weiterhin gebaut.

Zusammenfassung

Starke Niederschläge als grösste Gefahr in der Schweiz

Wetterextreme und andere Naturgefahren stellen von jeher ein grosses Risiko für Mensch, Umwelt und Sachwerte dar. In der Schweiz gelten Hochwasser und Oberflächenabfluss, ausgelöst durch starke Niederschläge, als die «teuersten Naturgefahren». Ein grosser Teil der dadurch verursachten Schäden entfällt auf Gebäude.

Abbildung 1

Abbildung 2

Naturgefahren können den Wert von Immobilien mindern

Naturgefahren sind eine besondere Herausforderung für den Immobilienmarkt. Zwar kann man sich dank Gebäudeversicherungen gegen Schäden versichern, und auch bauliche Massnahmen von Eigentümern oder öffentlich finanzierte Schutzbauten können die Vulnerabilität von Gebäuden oder die Gefährdung an exponierten Lagen reduzieren. Doch die konkrete Gefährdung einer Liegenschaft beeinträchtigt oft die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner. Es ist daher zu erwarten, dass sich diese nutzenbezogenen Faktoren in einer Wertminderung niederschlagen. Dennoch stellt sich die Frage, wie stark sich Gefahrenpotenziale tatsächlich auf den Wert betroffener Liegenschaften auswirken. Und angesichts der Tatsache, dass selbst an exponierten Lagen weiter gebaut wird, gilt es, allfällige Wertabschläge in die Planung einzubeziehen.

Klimawandel beeinflusst die Intensität und die Häufigkeit von Schadenereignissen

Wetterextreme dürften in Zukunft zu einem noch grösseren Risiko für den Immobilienmarkt werden. Zahlreiche Studien belegen, dass mit fortschreitendem Klimawandel die Wahrscheinlichkeit häufiger und intensiver Extremwetterereignisse steigt. Mehr dazu finden Sie im Kapitel «Der Klimawandel und die künftigen Risiken für den Schweizer Gebäudepark».

Datengrundlage und Methodik

Risiko = Gefährdung x Vulnerabilität

Das Schadensrisiko einer Immobilie im Kontext von Wetterextremen und Naturgefahren hängt von zwei Hauptfaktoren ab (Abbildung 3):

  • Gefährdung: Die Gefährdung wird bestimmt durch die Wahrscheinlichkeit eines Schadenereignisses an einer bestimmten Lage sowie durch dessen mögliche Intensität.
  • Vulnerabilität: Diese Komponente ergibt sich aus objektspezifischen Merkmalen wie der Bauweise und dem Sachwert einer Liegenschaft.

Abbildung 3

Berechnung des Risikos einer Liegenschaft

Erklärung der Preisunterschiede mithilfe eines hedonischen Modells

‍Immobilieneigentümer in der Schweiz können sich dank Gebäudeversicherungen grundsätzlich gegen Schäden, die als Folge von Naturgefahren auftreten, versichern. Dennoch bleibt offen, inwiefern eine Gefährdung durch Naturgefahren den Wert einer Immobilie messbar beeinflusst. Zur Klärung dieser Frage nutzen wir das hedonische Modell von Wüest Partner, das sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft anerkannt ist. Damit lassen sich Preiseffekte für einzelne Merkmale einer Liegenschaft – darunter Naturgefahren – präzise ermitteln. Dieser Preiseffekt ist als positive oder negative Zahlungsbereitschaft zu verstehen und spiegelt den geldwerten Gewinn oder Verlust an Lebensqualität wider, der auf eine bestimmte Eigenschaft eines Objekts zurückzuführen ist.

Untersuchungsobjekte:
Einfamilienhäuser

Insgesamt haben wir auf diese Weise elf verschiedene Naturgefahren untersucht, jede davon in einem separaten hedonischen Modell. Als Untersuchungsobjekte dienten ausschliesslich Einfamilienhäuser, da sie bei Schadensfällen ganzheitlich betroffen sind und sich daher gut miteinander vergleichen lassen. Bei Eigentumswohnungen ist die Ausgangslage in Bezug auf Naturgefahren viel heterogener: So ist in einem Mehrfamilienhaus eine Attikawohnung bei Hochwasser zum Beispiel weniger gefährdet als eine Wohnung im Erdgeschoss, was die Vergleichbarkeit erschwert.

Untersuchungszeitraum:
2022–2024

Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über die Jahre 2022 bis 2024. Für diesen Zeitraum liegen Wüest Partner Daten zu rund 28'000 Einfamilienhäusern vor, die im Rahmen von Freihandtransaktionen gehandelt wurden. So sind einerseits die Daten aktuell, und andererseits ist die Stichprobe genügend gross, um robuste Ergebnisse zu gewährleisten.

Methodik: 
Das hedonische Bewertungsmodell

Gefahrenkarten und Gefahrenklassen

Für den Überblick über die hierzulande wichtigsten Naturgefahren (Hochwasser, Stürze, Rutschungen, Lawinen, Murgänge und Hangmuren) wurden die Gefahrenkarten der kantonalen Ämter herangezogen. Sie zeigen, welche bewohnten Gebiete und Verkehrswege potenziell bedroht sind. Zudem geben sie Aufschluss über die Eintretenswahrscheinlichkeit sowie die Intensität möglicher Ereignisse. Die Karten bilden die Grundlage für die Ausscheidung von Gefahrenzonen in der Nutzungsplanung und für die Planung von Schutzmassnahmen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an ihre Zuverlässigkeit und Genauigkeit, weshalb die Karten in einem aufwändigen Verfahren erstellt und im Feld validiert werden. Die Gefahren werden in eine vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) festgelegte fünfstufige Skala eingeteilt (vgl. Infobox). Für die restlichen Naturgefahren (Erdbeben, Oberflächenabfluss, Radon und Sturm) beziehen wir die Daten von der Geotest AG, die homogenisierte bzw. verarbeitete Daten von den kantonalen Ämtern bereitstellt. Auch diese Gefahren wurden in eine Skala von 1 bis 5 eingeteilt. Aufgrund unterschiedlicher Datengrundlagen können diese Einstufungen jedoch nicht direkt mit der vom BAFU entwickelten Skala verglichen werden.

Gefahrenklassen
gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU)

Karte der gefährdeten Gebiete der Schweiz

Schadenereignisse aufgrund von Naturgefahren

Basierend auf der Schadensdatenbank der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigt die folgende Karte die Ereignisse, die seit 1972 Schäden von mindestens 400’000 Franken verursachten. Berücksichtigt sind die Naturgefahren Hochwasser, Rutschungen, Murgänge und Sturzereignisse.  

Schadenereignisse

Der Druck auf einen Button zeigt die Ereignisse als Folge der jeweiligen Naturgefahr an.

Hochwasser

Hochwasser treten am häufigsten im Sommer auf: Juni (4656 Fälle, 25.4%), Juli (4604, 25.0%) und August (3644, 19.9%) sind die Spitzenmonate. Bei Ereignissen der Kategorie «gross/katastrophal» (Schäden von über 2 Millionen Franken und/oder mindestens ein Todesfall) liegt der August mit 32.8% deutlich vor dem Juni (22.4%) und dem Juli (16.4%). Im März sind Hochwasser mit nur 249 Fällen (1.4%) am seltensten. Mit jeweils 8 bzw. 6 Ereignissen in der höchsten Schadenskategorie sind die Gemeinden Luzern und Bern am häufigsten von schweren Hochwassern betroffen.

Rutschungen

15.0% aller gemeldeten Rutschungen traten im Kanton Bern auf, direkt gefolgt vom Kanton Tessin mit 13.6%. Am dritthäufigsten sind Rutschungen im Kanton Wallis (7.8%). Hier ist das Schadensmass jedoch oft besonders hoch: 15.5% aller katastrophalen Rutschungen ereigneten sich im Wallis, was 11 Vorfällen mit einem Schaden von über 2 Millionen Franken und/oder mindestens einem Todesfall entspricht.

Murgänge

Die meisten gemeldeten Murgänge wurden 1987 (33) und 2002 (32) verzeichnet. Mit insgesamt 8 als katastrophal eingestuften Fällen ist das Jahr 2000 in dieser Kategorie Spitzenreiter.

Sturzereignisse

Seit 1972 traten 46 schwere Sturzereignisse auf. Nur in den beiden Gemeinden Gurtnellen (UR) und Valsot (GR) kam es mehr als einmal zu solchen Vorfällen.

Keine Schadenereignisse

Lediglich 58 Schweizer Gemeinden von insgesamt über 2100 waren seit 1972 von keiner dieser vier Naturgefahren betroffen.

Kreisgrösse proportional zu Schadensumme

Kleine Kreise: Schadensumme bis 0.4 Mio. Franken
Mittlere Kreise: Schadensumme von 0.4 bis 2.0 Mio. Franken
Grosse Kreise: 2.0 Mio. Franken und mehr

Die Schadensdatenbank der WSL

Die Schadensdatenbank der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) erfasst seit 1972 anhand von Zeitungsmeldungen systematisch die Schäden, die durch Hochwasser, Rutschungen, Murgänge und Sturzereignisse verursacht werden. Ereignisse, die keine Schadensmeldung auslösen, fliessen nicht in die Datenbank ein.

Stand: 2023

Historische Auftretenswahrscheinlichkeit von Schadenereignissen

Hochwasser
Rutschungen
Murgänge
Sturzereignisse
Methodik

Basierend auf der Schadensdatenbank der WSL und auf den darin erfassten Gefahren Hochwasser, Rutschungen, Murgänge und Sturzereignisse wurde eine räumliche Clustering-Methode entwickelt, die darlegt, wo in der Schweiz die einzelnen Naturgefahren vermehrt auftreten. Die 4 Karten zeigen, wie wahrscheinlich es ist, dass an einem bestimmten Ort Schadenereignisse aufgetreten sind. Je dunkler die Farbe, desto wahrscheinlicher ist es, dass in der Vergangenheit am jeweiligen Ort ein Schadenereignis stattgefunden hat.
Gemeinden gemäss OG-Stand 2024.
Duplikate wurden nach Übereinstimmung von Gemeindenamen, Ereignisnummer und Hauptprozess (Gefahr) entfernt.

Ergebnisse: Preiseffekte aufgrund von Naturgefahren

Ziel: Ermittlung von Preisabschlägen

Ziel unserer Analysen ist, den Einfluss von Naturgefahren auf die Preise von Einfamilienhäusern zu quantifizieren. Im Folgenden stellen wir die Resultate für die Gefahren Hochwasser, Oberflächenabfluss, Rutschungen, Lawinen sowie Murgängen und Hangmuren vor.

Abbildung 4

Transaktionspreise von Einfamilienhäusern:
Preisabschlag nach Gefahrenklasse

Bemerkungen:

Wenn Einfamilienhäuser in einem Gebiet stehen, das der Gefahrenklasse 3, 4 oder 5 zugeordnet ist, können in vielen Fällen statistisch relevante Preisabschläge nachgewiesen werden. Die Ergebnisse stellen Preisabschläge dar, die mithilfe eines hedonischen Bewertungsmodells für die jeweilige Gefahrenklasse ermittelt wurden. Datengrundlage sind Freihandtransaktionen von Einfamilienhäusern in den Jahren 2022 bis 2024. Die in der Tabelle dargestellten Preisunterschiede beziehen sich auf den Vergleich mit Einfamilienhäusern, die sich in Gebieten befinden, die zu den Gefahrenklassen 1 oder 2 gezählt werden. In Klammern ist der Unsicherheitsbereich (Standardabweichung) angegeben. Nicht signifikante Ergebnisse sind mit einem Strich markiert.
Die zentrierten Werte für Rutschungen (zwischen den Klassen 3 und 4) und Hangmuren (zwischen den Klassen 4 und 5) zeigen an, dass die entsprechenden Klassen zusammengefasst wurden, um ausreichend stabile Ergebnisse zu erlangen. Für Hochwasser, Lawinen, Rutschungen und Hangmuren sind zusätzlich Gefahrenkarten verfügbar, die keine Klassifizierung von 1 bis 5 aufweisen, sondern nur in «Gefahr vorhanden» und «Gefahr nicht vorhanden» aufgeteilt sind. In diesen Fällen wurde die Kategorie «Gefahr vorhanden» nach empirischer Bestätigung der Gefahrenklasse 5 zugeordnet.
Die Schätzung wurde für jede Naturgefahr und jede Gefahrenklasse einzeln vorgenommen, sodass die Resultate nicht addiert werden können.
Die positiven Effekte durch Lawinen und der niedrige Effekt für Hangmuren werden im Fliesstext diskutiert.

Quelle: Wüest Partner

Hochwasser:
Gefahr vs. attraktive Lage

Hochwasser entstehen, wenn stehende oder fliessende Gewässer aufgrund von Starkregen oder Schneeschmelze über die Ufer treten. Abbildung 4 zeigt, dass Einfamilienhäuser an hochwassergefährdeten Lagen zwischen 0.6% (Klasse 3) und 1.8% (Klasse 5) günstiger verkauft werden als vergleichbare Objekte an ungefährdeten Lagen. Dabei ist zu beachten, dass die Nähe zu Gewässern den Wert von Liegenschaften gleichzeitig erhöhen kann. Genau hier kommt die Stärke des hedonischen Modells zum Tragen: Mithilfe der Mikrolagennote, die über 20 lagebezogene Eigenschaften berücksichtigt, lassen sich positive Aspekte – wie die Attraktivität der Nähe zu Gewässern – von den negativen Effekten einer Hochwassergefährdung trennen.

Oberflächenabfluss: Verantwortlich für die Hälfte der Wasserschäden

Oberflächenabfluss tritt auf, wenn Regen- oder Schmelzwasser nicht rasch genug im Boden versickern kann und unkontrolliert über das Gelände abfliesst. Er sorgt für bis zu 50% der Wasserschäden. Einfamilienhäuser in gefährdeten Gebieten verzeichnen Preisabschläge, allerdings erst ab Gefahrenklasse 4 (-1.3%). Bei erheblicher Gefährdung (Klasse 5) lag der Abschlag bei 2.3%.

Rutschungen:
Preisabschläge im mittleren Bereich

Bei Rutschungen handelt es sich um Materialbewegungen an Hängen, die spontan oder über längere Zeiträume erfolgen können. Aufgrund der nur sehr wenigen Transaktionen in den Gefahrenklassen 3 und 4 wurden diese beiden Klassen zusammengelegt. Es ergibt sich ein geringer Preisabschlag von knapp 1%. In der Klasse 5 hingegen beläuft sich der Abschlag auf 3.0%.

Lawinen:
Je grösser die Gefahr, desto höher die Preisabschläge? Nicht immer!

Lawinen zeigen besonders anschaulich, wie eng attraktive Lagen und Naturgefahren verflochten sind. Für Einfamilienhäuser in den Gefahrenklassen 3 und 4 ermittelt das hedonische Modell sogar einen Preisaufschlag von 8.1%  beziehungsweise 5.3% gegenüber Objekten in ungefährdeten Gebieten. Offenbar überwiegt hier die Zahlungsbereitschaft für schön gelegene Immobilien die Bedenken wegen Lawinen. Ausserdem ist es denkbar, dass Baubeschränkungen an gefährdeten Lagen eine Verknappung des Angebots und damit Preisaufschläge zur Folge haben. Ist die Gefährdung jedoch erheblich (Klasse 5), kommt es zu einem deutlichen und signifikanten Preisabschlag von rund 5%.

Murgang und Hangmuren:
Wenig Beobachtungen, aber starke Effekte

Eine Hangmure ist eine Schlammlawine aus Wasser, Erde und Geröll mit einem hohen Wasseranteil. Unter einem Murgang versteht man ein fliessendes Gemisch aus Schlamm, Wasser, Steinen, Geröll und Holz, das oft in bereits vorhandenen Bachbetten entsteht. Beide können eine enorme Zerstörungskraft entwickeln. Und so verwundert es nicht, dass in Gebieten mit erheblicher Gefährdung sehr wenig gebaut wird und die Nachfrage sehr gering ist. Daher finden sich in unserem Datensatz (rund 28’000 Transaktionen) nur 11 Einfamilienhäuser, deren Standorte in Bezug auf Hangmuren (6 Beobachtungen) oder Murgänge (5 Beobachtungen) der Gefahrenklasse 5 zugeordnet werden. Für diese wenigen Objekte errechnet das hedonische Modell einen deutlichen und hochsignifikanten Preisabschlag von je rund 30%.  Aufgrund der tiefen Fallzahl ist dieses Ergebnis jedoch mit Vorsicht zu interpretieren. Wie Abbildung 4 zeigt, relativiert sich der Effekt, sobald man niedrigere Gefahrenklassen in die Auswertung miteinbezieht.

Resultate sind nicht bei allen Naturgefahren aussagekräftig

Insgesamt hat Wüest Partner 11 Naturgefahren untersucht. Die Resultate sind jedoch nicht in allen Fällen eindeutig: Teils sind zu wenige Daten verfügbar (z. B. zu Murgängen und Hangmuren), teils zu viele Daten (Hagel verursacht flächendeckend Schäden, sodass der Preiseffekt für alle Immobilien der gleiche ist). Bei den Sturzereignissen liess sich kein signifikanter Effekt nachweisen, und Erdbeben betreffen meist sehr grosse Regionen, sodass eine Differenzierung schwierig ist.

Bautätigkeit: An gefährdeten Lagen wird weiter gebaut

Der Anteil Wohnungen an gefährdeten Lagen sinkt nicht

Im Rahmen unserer Analysen über die Beziehung zwischen Immobilienpreisen und Naturgefahren haben wir auch untersucht, wie viele Wohnungen sich in den Gefahrenklassen 4 und 5 befinden und wie stark die Wohnbautätigkeit an diesen Lagen ist (Abbildung 5). Dabei fällt auf, dass der Anteil an projektierten, bewilligten oder sich im Bau befindlichen Wohnungen an diesen gefährdeten Lagen kaum vom Anteil bereits bestehender Wohnungen an solchen Standorten abweicht. Das führt dazu, dass der Anteil an Wohnungen an gefährdeten Standorten stabil bleibt. Mögliche Gründe dafür sind:

  • Unzureichendes Risikobewusstsein: Akteure sind sich der entsprechenden Gefahren nicht vollständig bewusst.
  • Kostenvorteil: Bauland an gefährdeteren Lagen ist oftmals so viel günstiger, dass potenzielle Preisabschläge kompensiert werden.
  • Knappes Bauland: In bestimmten Regionen gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten, sodass selbst riskante Lagen genutzt werden.
  • Positive Marktentwicklung: Die höheren Versicherungskosten und die meist eher moderaten Preisabschläge werden durch die aktuell positiven Marktentwicklungen mehr als wettgemacht.
  • Lokale Neubewertung: Fachleute vor Ort können bei detaillierten Untersuchungen zum Schluss gelangen, dass die tatsächliche Gefahr an bestimmten Stellen geringer ist als in den Modellkarten ausgewiesen.

Geringe Bautätigkeit an besonders stark gefährdeten Lagen

An Standorten der Gefahrenklasse 5, die besonders starke Preisabschläge zur Folge haben, wird hingegen fast gar nicht gebaut. Betrachtet man die absoluten Zahlen für Einfamilienhäuser in diesen Hochrisikobereichen, zeigt sich ein sehr geringes Bauvolumen:

  • Hangmuren: 1 Einfamilienhaus
  • Murgänge: 20 Einfamilienhäuser
  • Lawinen: 14 Einfamilienhäuser

Abbildung 5

Gebäudebestand und Bautätigkeit in Risikogebieten

Vom Umgang mit Risiken

Versicherung gegen Naturgefahren nicht in der ganzen Schweiz obligatorisch

Um sich als Eigentümerin oder Eigentümer einer Immobilie gegen die finanziellen Folgen von Naturereignissen und Wetterrisiken zu schützen, bietet sich in erster Linie eine Gebäudeversicherung an. Damit wird das Risiko von einem Individuum auf ein Kollektiv übertragen. In 19 Kantonen besteht dafür eine öffentlich-rechtliche kantonale Gebäudeversicherung, die für Immobilieneigentümer obligatorisch ist. In den anderen Kantonen, den sogenannten GUSTAVO-Kantonen (GE, UR, SZ, TI, AI, VS, OW), übernehmen Privatversicherer diese Aufgabe. In den Kantonen Genf, Tessin, Appenzell Innerrhoden und Wallis ist die Gebäudeversicherung allerdings nicht verpflichtend.

Nicht versichertes Risiko als Grund für Preisabschläge?

Obwohl eine Versicherung das Schadensrisiko mindert, zeigt sich, dass Preisabschläge für Einfamilienhäuser an exponierten Lagen – von Ausnahmen abgesehen – bis zu rund 5% erreichen können. Das übersteigt in vielen Fällen die zusätzlichen Kosten für den Versicherungsschutz. Eine Police deckt also nicht stets das gesamte Risiko ab. Eine unzureichende Abdeckung oder nicht gedeckte Schäden (z. B. Aufräumarbeiten) können zu finanziellen Mehrbelastungen für den Eigentümer führen. Gleichzeitig lassen sich keine abschliessenden Aussagen darüber treffen, ob Naturgefahren und die durch den Klimawandel zunehmenden Wetterextreme bereits vollständig in die Immobilienpreise eingerechnet sind.

Beschränkte Handlungsmöglichkeiten

Neben einer Versicherung sind auch bauliche Massnahmen wichtig, um die Gefährdung oder die Vulnerabilität zu senken. Der Handlungsspielraum ist hier allerdings begrenzt. Die öffentliche Hand kann beispielsweise durch Gewässerkorrekturen, Renaturierungen, Lawinenverbauungen oder Hangstabilisierungen die Risiken an besonders gefährdeten Orten reduzieren. Auch die Immobilieneigentümer verfügen über Möglichkeiten: Bei drohenden Überschwemmungen lassen sich kritische Stellen an einem Gebäude abdichten oder durch Dämme schützen. Gegen Hagel helfen geprüfte Materialien, und Storen lassen sich schützen, indem sie bei Regen oder Sturm automatisch hochgezogen werden.

Regulierungen nehmen Eigentümer in die Pflicht

Die Regulierungen zum Schutz von Immobilien sind mittlerweile recht umfangreich. Im Bereich Erdbeben etwa verlangt die Norm SIA 269 (Erhaltung von Tragwerken) bei Umbauten oder Nutzungsänderungen eine Überprüfung des bestehenden Tragwerks. Eine solche Kontrolle ist auch dann erforderlich, wenn neue Erkenntnisse über Einwirkungen oder Tragwerkeigenschaften vorliegen (zum Beispiel bei Anpassungen der Normen).

No-Go oder willkommenes Schnäppchen?

Bei den ermittelten Preisabschlägen handelt es sich stets um Durchschnittswerte. Da Immobilien keine homogene Massenware sind, variiert ihr Wert je nach Lage und individuellen Merkmalen erheblich. Die Ermittlung eines durchschnittlichen Marktwerts ist deshalb anspruchsvoll. Ein einziger Käufer, der bereit ist, den vom Verkäufer geforderten Preis zu bezahlen, reicht, damit eine Transaktion stattfinden kann. Die Spannweite könnte bei Gefahrenlagen besonders gross sein: Während manche den Kauf einer Liegenschaft, bei der ein Risiko für eine Überschwemmung besteht, von vornherein ausschliessen, dichten andere den Keller ab und geniessen die Nähe zum See. Ähnlich verhält es sich mit dem idyllisch gelegenen Chalet am Skilift, das zwar einer gewissen Lawinengefahr ausgesetzt ist, aber gleichzeitig mit einer schönen Aussicht und der Nähe zur Piste punktet. Für manche ist das ein Grund, von einem Kauf abzusehen, für andere ein günstiges Kaufargument.

Quellenverzeichnis

Bundesamt für Umwelt (BAFU), EidgenössischeForschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Gebäude- undWohnungsregister (GWR), Gefahrenkarten und Gefahrenhinweiskarten der Kantone (GeotestAG), Infopro Digital, Wüest Partner